Vom Umgang mit Kindern und dem Tod
von David Naef, Bestatter, Lehrer und Trauerredner
Als praktizierender Lehrer und Bestatter liegt mir ein natürlicher Umgang mit Kindern während einer Bestattung sehr am Herzen. Ich versuche sie immer mit einzubeziehen, wenn ein Mitglied ihrer Familie gestorben ist. Anfänglich war ich unsicher, ob ich die Kinder nicht überfordere mit dem Erlebten. Heute kann ich allerding sagen, dass es immer Sinn macht, die jungen Menschen am Prozess des Abschiednehmens teilnehmen zu lassen.
Dieses Teilnehmen kann auf verschiedene Arten geschehen. So können die Kinder ein Bild malen oder ein Brieflein schreiben und dem Verstorbenen mit auf den Weg geben. Erinnerungsgegenstände oder Dinge welche die Verstorbenen ins Jenseits begleiten und sie beschützen sind immer liebevolle Gesten. Oder die Familie kann gemeinsam den Sarg der verstorbenen Person bunt anmalen. Ich habe schon erlebt, dass die Kinder bei einem Abschied am Sarg eines jungen Menschen, plötzlich angefangen haben das Sargoberteil zu bemalen. Am Ende sind alle Erwachsenen mit eingestiegen und haben schöne Botschaften auf den Sarg geschrieben. Es war ein wohltuendes Erlebnis, das allen Kraft gab.
Wichtig ist, dass die Kinder in ihrer Situation ernst genommen und nicht ausgeschlossen werden. Was hinter verschlossenen Türen geschieht macht meist mehr Angst, als dass was man sieht; weil das Verborgene immer Raum offen lässt für Fantasien. Das direkt Erlebte dagegen nicht. Man kann darüber sprechen, es traurig, schön oder gar abstossend finden. Aber man kann es somit über kurz oder lang verarbeiten.
Kinder können auch dabei sein, wenn die Familie sich am Totenbett verabschiedet oder die verstorbene Person in den Sarg eingebettet wird. Wenn sie nicht schon eine mögliche Angst der Erwachsenen übernommen haben, ist ihnen die natürliche Gabe zuteil, dem Thema Tod sehr unvoreingenommen zu begegnen. Kinder haben zudem eine angeborene Eigenschaft, die es ihnen ermöglicht in kurzer Zeit sehr viel zu lernen: die Neugierde.
Wenn man einem Kind die Freiheit lässt, am Geschehnis teilzunehmen oder nicht, wird es sich aus Neugierde, nach anfänglichem Zögern, meistens für das Teilnehmen entscheiden. Diese offene Haltung und der eigene innere Antrieb ermöglicht dem Kind auch eine adäquate Verarbeitung dieses Erlebnisses. Viele Kinder stellen Fragen: „Was bedeutet tot sein? Wo ist die verstorbene Person jetzt?“ Darauf darf man ruhig auch einmal keine Antwort haben. Oder man gibt die Frage zurück: „Was denkst du, wo Grossvater jetzt ist?“ Das gibt meistens sehr schöne Gespräche.
Ich habe sogar erlebt, dass dieser unvoreingenommene Umgang mit dem Tod und der Bestattung für die Eltern befreiend sein kann. Natürlich darf man die Kinder nicht dafür instrumentalisieren. Ein sensibler und wohlwollender Umgang setzte ich immer voraus. Auch zu einem späteren Zeitpunkt soll offen über das Vergangene gesprochen werden.
Viele Kinder „üben“ das Abschiednehmen auch spielerisch, wenn sie ein totes Tier finden und dieses begraben. Diesem Bedürfnis sollte man unbedingt Raum geben. Einfache Rituale wie eine Kerze anzünden oder ein Lied zu singen, helfen uns Menschen das Erlebte zu verarbeiten. Sie sind auch in unserer modernen, säkularisierten Zeit von enormer Wichtigkeit. Das Mysterium des Todes kann nicht nur geistig und rational verarbeitet werden. Es muss immer auch Ausdruck in einer Handlung finden, damit wir damit umgehen können.
Im Zusammenhang mit dem Tod und der Bestattung ist alles Gut, wenn es aus den richtigen Motiven geschieht. Grundsätzlich gibt es keine Grenzen was man machen kann und was nicht. Solange die Kinder aus eigenem Antrieb mitmachen, kann nichts passieren. Und die Option die Situation unmittelbar verlassen zu können, sollten sich sowohl Kinder als auch erwachsene Personen immer freihalten.
Seien Sie kreativ mit Ihren Kindern um den Tod vom Grosi, aber auch von einem Geschwister oder einem Mitschüler verarbeiten zu können. Selbstverständlich ist dieser Weg nicht leicht. Im Wort „verarbeiten“ steckt ja prominent das Wort „Arbeit“. Und so ist es; vollendeter Abschied ist auch ein grosses Stück Arbeit.