David hat Philosophie studiert, Biobauer gelernt und mit sechsundzwanzig Jahren gemeinsam mit Mariana ein Bestattungsunternehmen in Bern gegründet. Nach vielen Kaffees, tollen Gesprächen und einem tiefen Einblick in Davids und Mariannes Arbeit entstand diese Reportage.    

Von Niels Blaesi

«Ein junger Mann ist in einer Lawine gestorben. Ein Riesenschock für die Familie und gerade da ist es extrem wichtig, dass man das irgendwie erleben kann. Zuerst haben wir ihn zusammen mit der Familie angekleidet. Es war mega traurig. Es geht also nicht darum, dass es nicht traurig ist, sondern dass man den Tod besser verarbeiten kann. Und dann haben wir gesagt am Mittwoch zwischen 18.00 Uhr und 20.00 Uhr könnt ihr zum Sarg kommen. Es hat sich verbreitet wie ein Lauffeuer, über Facebook oder so.

Es sind etwa fünfzig Leute zum Sarg gekommen. Einer hat eine Wurst mitgenommen für den Bergsteiger, der andere einen Hobel, weil er Schreiner war. Einer hat ihm sogar Musikstöpsel in die Ohren getan und ihm sein Lieblingslied abgespielt und sie haben Fotos mitgebracht. Er war von unten bis oben mit Gaben übersät. Gewisse haben beim Sarg geweint. Andere standen draussen – natürlich waren nicht alle in diesem Raum – und haben über die Fotos gelacht. Es war ein guter Moment. Das Sargoberteil haben wir auf einen Tisch gelegt und Farbe dazugestellt. Viele hatten schon Kinder und die Kinder begannen plötzlich, den Sarg zu bemalen. Es war eine gute Stimmung in diesem Elend und ich habe fast das Gefühl, eigentlich war es das wichtigste Ritual in diesem ganzen Prozess.

Ich bin überzeugt, dass gerade in unserer säkularisierten Welt sehr viele Glaubensmuster und Rituale verloren gehen, die helfen, mit dem Tod umzugehen. Deshalb können die Angehörigen bei uns überall dabei sein. Ich sage immer, wenn man sich irgendwie dazu überwinden kann, «machs». Es hat mir noch nie jemand gesagt, er habe es nicht okay gefunden hat. Ich persönlich finde auch, dass was man sieht, eben wenn man dabei ist beim einbetten – vielleicht riecht es ein wenig, selten, aber es kann sein – dann kann man es vielleicht «gruusig» finden oder schön finden oder was auch immer,  aber man hat wenigstens etwas, womit man sich auseinandersetzen kann. Wenn man das nicht hat, fehlt einem einfach die ganze Erlebniswelt.

Also bei meiner Grossmutter, zum Beispiel, das Einzige, was ich von ihrem Tod mitbekommen habe, ist die Nachricht, dass sie tot ist. Das ist alles. Das ist meine ganze Erlebniswelt, mit welcher ich den Tod verarbeiten kann. Also ist es wichtig, dass die Angehörigen immer dabei sind. Der Tod ist einfach etwas, was zum Leben gehört, auch wenn es schwer zu akzeptieren ist. Aber wir können ihn einfach nicht ignorieren. Es ist das Dümmste,was man machen kann, etwas, das so natürlich ist, komplett zu ignorieren.»

Baumbestattung Thun
«Ich glaube, es ist eine Bereicherung für das eigene Leben, wenn man weiss, dass es endlich ist.»

 

«Ich trank auch schon Whisky als ich nach Hause kam, aber es hat nichts gebracht. Abgrenzung ist ein grosses Thema und ich weiss eigentlich auch nicht, warum es mir gelingt, aber es gelingt mir sehr gut! Es ist nicht so, dass es mich nicht mitnimmt. Ich bin immer sehr berührt. Wenn ich an einem Grab stehe, habe ich auf der einen Seite diesen Schmerz. Es ist nicht mein Schmerz, aber ich kann trotzdem reinblicken und den Reichtum vom Leben darin sehen. Ich komme meisten nach Hause und denke; «Es ist schön, dass ich noch lebe und gesund bin.» Dies ist ein grosser Reichtum, welchen man im Alltag oft vergisst. Das hilft mir sehr. Es gibt doch so ein Sprichwort: «Gib mir die Macht, das zu akzeptieren, was ich nicht verändern kann und die Kraft, das zu verändern, was veränderbar ist.» Ich sehe es wirklich ein wenig so. All das, was nach dem Tod geschieht, was in den Hinterbliebenen vorgeht, kann ich sehr wohl und massgeblich beeinflussen.»

 

Beerdigung Bern Thun
«Als Bestatter hat man aber eigentlich auch keine Ahnung vom Tod, nur vom Zurückbleiben.»

 

«In einer Situation, in der es keine Angehörigen gibt, fühle ich mich geehrt und anders, weil man niemandem eine Show bieten muss. Man könnte ja auch sagen sie sei sowieso tod, sehen wird es auch niemand, also «who cares». Dies ist keine Haltung von uns. Sie wollte am Zürichsee begraben werden. Der Beistand war dabei und ich habe noch Handorgel gespielt. Du hattest doch noch eine Freundin dabei? Stimmt! Die kam doch noch spontan mit.  Ja, sie hat bei mir übernachtet und ich habe ihr gesagt, dass ich jetzt an eine Bestattung gehe und niemand kommt. Dann meinte sie, sie komme mit. Dann war sie einfach dabei. Unsere Motivation war, dass wir dieser Frau eine schöne Feier machen wollten. Wir waren auf einem Floss. Man musste das Gleichgewicht halten und anschliessend haben wir die Asche verstreut. Ich habe mir Gedanken gemacht, was ich sagen kann. Ich wusste ja nichts, also habe ich einfach Fragen gestellt. Wo ist sie in die Schule gegangen? Einfach Dinge, die wir alle gemeinsam haben. Hat sie sich einmal verliebt? Ich glaube wir haben hier etwas erschaffen, was es vorhin noch nicht gab, eine Menschlichkeit. Mitgefühl. Würde. Das Leben ehren.»

 

Beerdigung Bestattungsdienst Bern
«Das schönste Kompliment als Trauerredner ist, wenn Leute danach zu dir kommen und fragen, ob du die verstorbene Person gekannt hast.»

 

Bestattungsvorsorge
«Im Spital ist der Tod mehr ein Symbol vom Scheitern der Institution und dementsprechend haben sie nicht die gleiche Totenkultur, wie beispielweise im Altersheim.»
Share Button