Ihr Auftrag tönt etwas verrückt. André, Raffael, Valerie, Noëmi, Elia sowie Joël und Linda sollen einen einfachen Holzsarg mit Acrylfarben bemalen.

Eingeladen hat die Jugendlichen aus der ganzen Schweiz die Finis GmbH. Das kleine aber feine Bestattungsunternehmen von David Naef und Marianna Reinhard in Stettlen BE. Die Aktion verfolgt verschiedene Ziele. Naef, gelernter Bauer und Philosoph, wollte den ihm bekannten jungen Leute das Thema Tod näherbringen. Wollte ihnen ermöglichen, sich damit zu Beschäftigen. Marianna Reinhard, langjährige und jetzt pensionierte Heimleiterin, kannte Ali Tschanz, eine 86-jährige Bewohnerin des Berner Altersheims „dr Burgerspittel“ beim Bahnhof. Ihr schenken die beiden Bestattungsunternehmer und die Jugendlichen am Ende des Tages ein Sarg-Kunstwerk.

Sarg bemalen für 86-jährige fröhliche Seniorin
Heute steht für die acht jungen Leute die Beschäftigung mit dem Lebensende ganz im Zentrum. Mit dem Sterben, dem Tod. Höhepunkt des Tages ist die kreative Auseinandersetzung mit einer Holzkiste aus Tannenholz. Sie werden zusammen einen Sarg bemalen. Das letzte Bett für Ali Tschanz. 86 Jahre alt.

Das Thema ist für die 14- bis 18-jährigen Jugendlichen eher fremd. Kein Wunder. In diesem Alter «drücken» andere Sorgen. Da beschäftigt sich kaum jemand mit dem Ableben. «Obwohl», sagt die eine junge Frau zu einer anderen jungen Frau, «obwohl es ja klar ist, dass der Tod zum Leben gehört, wie die Geburt.» Sagt die andere: «Wir leben darauf hin, um einmal zu sterben.»

Was haben Tod und Geburt gemeinsam?
David Naef nickt, sagt: «Wir müssen frühzeitig daran denken, sollten darüber reden. Auch wenn das Ableben noch weit weg ist.» Ein anderer «findet, der Tod ist ein spannendes Thema». Dem pflichtet Noemi bei. Sie fragt ihre Kollegen: «Was haben eigentlich Tod und Geburt gemeinsam?». Die Diskussion im Beratungsraum der Finis GmbH ist lebhaft. Die Jungen nehmen die ausgestellten Urnen vom Gestell, wiegen sie in der Hand. Sagt einer, meine Asche soll mal im See verstreut werden. Igitt, ruft jemand, und wenn dann jemand schwimmen geht? David Naef beruhigt. «Kein Problem. Die Asche besteht aus Kalzium, und das ist schwer, es sinkt sofort zu Boden, schwimmt also nicht.»

Das Frage-/Antwortspiel entwickelt sich munter. Im Sarglager staunen die jungen Besucher, Besucherinnen über die unterschiedlichen Sargtypen. Gemeinsam öffnen sie den einfachen Holzsarg, den Ali Tschanz für sich ausgewählt hat. Jemand fragt, warum David Naef keinen Akkuschrauber benutzt, um die Schrauben zu öffnen. Marianna Reinhard erklärt das: «Wir arbeiten ohne Lärm und Hast. Das gehört zu unserem Geschäftsprinzip. Wir knallen keine Autotüren zu, schieben den Sarg leise und sorgfältig ins Bestattungsfahrzeug. Wir gehen mit den Verstorbenen um, als würden sie noch leben.» Sie lächelt sanft. David Naef lächelt auch. «Wenn Marianna einen Verstorbenen wäscht, ankleidet und ins letzte Bett umbettet spricht sie immer mit ihm, so als würde er ihr zuhören.»

Finis bettet die Verstorben ein
Die Jugendlichen staunen. Je besser sie das Metier von David Naef und Marianna Reinhard kennen, wird ihnen klar, warum die Verstorbenen bei Finis nicht einfach eingesargt, sondern liebevoll eingebettet werden.

Nun aber an die Arbeit. Eigentlich war geplant, den Oberteil des Sarges auch innen mit einem Bild zu verzieren. Das ging in der Aufregung vergessen. Konzentriert und vergnügt entsteht das regenbogenfarbige Oberteil. «So geben wir dem Tod etwas Farbe», sagt Raphael aus Davos. Und Valeria aus Thun wendet sich um zu Ali Tschanz und bedankt sich bei ihr fürs Vertrauen. Sie lächelt vergnügt und sagt: «Ich habe ein gutes Gefühl.»

Das fertige Werk erstrahlt in hellen, warmen Farben. «Es soll ja nicht drückig sein», sagt Noemi. «Es muss im Flow sein.» Alle lachen sie. Elia sagt: «Auch wenn ich nicht weiss, wie es dann einmal weitergeht, habe ich keine Angst. Ich denke, es geht weiter. Vielleicht ist der Tod sogar eine Befreiung.» Noemi sagt: «Es kommt wohl der Moment, wo man gehen will.» «Ja, das ist wohl so», sagt Elia. «Aber für mich wäre es traurig, die anderen zurückzulassen. Da fragt man sich doch, was macht die Familie ohne mich?».

So plätschert das Gespräch munter weiter. Am Schluss, als der Sarg so farbig und fröhlich dasteht, klatscht Ali Tschanz in die Hände. «Wunderschön, ich danke euch herzlich.»

Text: Andrea M. Castoro | Fotos Daniela Friedli

Ali Tschanz betrachtet das bald fertige Werk. Der Regenbogenverlauf gefällt der Seniorin. «Da kann ich mich ja drauf freuen», sagt sie lachend. (Foto: Daniela Friedli)
Ali Tschanz betrachtet das bald fertige Werk. Der Regenbogenverlauf gefällt der Seniorin. «Da kann ich mich ja drauf freuen», sagt sie lachend. (Foto: Daniela Friedli)

 

Das Medieninteresse war gross. Neben TeleBärn berichteten auch die beiden Berner Zeitungen über den Event. (Foto: Daniela Friedli)
Das Medieninteresse war gross. Neben TeleBärn berichteten auch die beiden Berner Zeitungen über den Event. (Foto: Daniela Friedli)

 

Bevor die Jugendlichen zu Farben und Pinsel griffen, diskutierten sie über das entstehende Werk. (Foto: Daniela Friedli)
Bevor die Jugendlichen zu Farben und Pinsel griffen, diskutierten sie über das entstehende Werk. (Foto: Daniela Friedli)

 

Seine Idee gefiel den Medien: Bestatter David Naef beim Interview mit TeleBärn. (Foto: Daniela Friedli)
Seine Idee gefiel den Medien: Bestatter David Naef beim Interview mit TeleBärn. (Foto: Daniela Friedli)

 

Zwei, die sich schätzen und mögen: Ali Tschanz mit Bestatterin Marianna Reinhard. (Foto: Daniela Friedli)
Zwei, die sich schätzen und mögen: Ali Tschanz mit Bestatterin Marianna Reinhard. (Foto: Daniela Friedli)
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